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Editorial


Der 200. Geburtstag John Brinckman (1814-1870) war der RISSE-Redaktion willkommener Anlass für ein Sonderheft, das die Aufmerksamkeit auf den vielfach unterschätzten und im Hinblick auf seinen Zeitgenossen Fritz Reuter (1810-1874) unterbewerteten Dichter lenken soll. Zumal Reuter mit seinem missgünstigen Urteil zu Brinckman, das er gegenüber Dethloff Carl Hinstorff (1811-1882) geäußert hatte (vgl. u. a. den Beitrag von Wolfgang Müns in diesem Sonderheft), vermutlich einen großen Anteil hat am anhaltenden Desinteresse einer größeren literarischen Öffentlichkeit an diesem Schriftsteller.

So ist zumindest zu erklären, dass sowohl bei den Gegenwartsautorinnen und -autoren Mecklenburg-Vorpommerns als auch beim Lesepublikum Brinckman nach wie vor fast unbekannt ist.

Mit dem 7. Sonderheft der RISSE unternimmt die Redaktion deshalb den Versuch, diese missliche Situation zu verbessern. Zwar ist ein Paradigmenwechsel nicht zu erwarten, aber die literarische Qualität von Brinckmans Texten verdient eine Revision, für die der 200. Geburtstag des Autors eine gute Gelegenheit bietet. Denn Brinckman steckt voller Überraschungen, wie dieses RISSE-Sonderheft zeigen soll.

Wenn in der Literatur die ästhetische Auseinandersetzung mit Brinckman weitgehend fehlt, ergibt sich die Frage, ob sie auf anderen Feldern der Kunst stattfindet. Und tatsächlich war es für die Redaktion eine Überraschung, dass dieses Feld vor allem von der Bildenden Kunst bereitgestellt wird. Deshalb war es nicht schwierig, junge Grafik-DesignerInnen für eine Kooperation zu gewinnen. Dabei wurde zum ersten Mal eine Erzählung Brinckmans aus dem 19. Jahrhundert – die Märchenerzählung Höger up – in einer gezeichneten Geschichte, einer sogenannte Graphic Story, des 21. Jahrhunderts adaptiert. Wir hätten das Ergebnis dieser aufwendigen Arbeit eine Weltpremiere nennen können, nehmen aber davon Abstand, denn John Brinckman war ein bescheidener Mensch.

Während der redaktionellen Recherche zu Brinckman kam es zu einer weiteren Überraschung: Es stellte sich heraus, dass ausgerechnet zu Höger up in den 1980er Jahren ein Reliefzyklus von einem Güstrower Keramikzirkel der Gewerkschaft Unterricht und Erziehung angefertigt worden war (vgl. den entsprechenden Beitrag im Heft sowie die Foto-Serie zu diesem Zyklus).

Spätestens hier war der Redaktion klar, dass ein RISSE-Sonderheft zu Brinckman nicht nur gerechtfertigt, sondern notwendig war – allein wegen der Entdeckungen, die dieser Autor noch immer und gerade heute ermöglicht.

Wolfgang Gabler

 

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