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Editorial

Das Sonderheft Nr. 6 sollte eigentlich früher erscheinen. Eine Kürzung der Förderung verhinderte das. Früher war eben doch nicht alles besser. Oder doch?

Das wollten wir mit unserem Sonderheft genauer wissen. Wir fanden, das Thema beinhalte ein schönes, produktives Dilemma. Die AutorInnen konnten nicht ernsthaft schreiben, dass früher alles besser gewesen sei, genauso wenig aber das Gegenteil behaupten.

Umso mehr freut sich die RISSE-Redaktion über die Fülle von originellen Texten. Wolfgang Mundt zum Beispiel führt uns in die Keller seiner Kindheit. Helene Mensch thematisiert autoritäre Glücksversprechen. Andere AutorInnen stellten ihre Skepsis in Märchen dar.

Es gab allerdings auch Bedenken. Einer der Autoren schrieb und: »Ich nehme an, für den Arbeitstitel Früher war alles besser wird noch ein anderer Titel gefunden werden. Unter diesem Titel möchte ich meine Arbeiten nicht platziert finden.« Denn – so dieser Autor weiter – seine literarische Arbeit »macht Widersprüche bewußt, zielt aber deshalb letztlich auf Veränderungen im Zukünftigen. Auf keinen Fall sollte das Vergangene Triumphe feiern.«

Die Befürchtungen dieses Autors konnten wir zerstreuen, wollten aber vom Heft-Titel nun nicht mehr lassen, weil er uns immer wieder begegnete.

»Früher war alles besser« – ein fragwürdiger Spruch, der auch zurzeit in aller Munde ist: Der Internetsuchdienstanbieter Google beispielsweise listet über 452.000 Einträge (!) auf. Man findet diesen Titel als Headline historischer Gegenüberstellungen in Zeitungen und Sendemedien. Und auch als Titel von Songtexten (z. B. der Toten Hosen) und Büchern (Miersch, M. u.a.: Früher war alles besser: Ein rücksichtloser Rückblick, erschienen 2010 im Knaus Verlag) ist er allgegenwärtig. Im Internet übertreffen sich user damit, Gründe aufzulisten, was denn nun früher alles besser gewesen wäre (Früher »fuhr man noch mit dem Käfer in den Urlaub«, »... war die Luft noch stark«, »... war alles besser. Auch die Zukunft«).

Die RISSE finden Sie »wie früher« auch in Zukunft im Internet unter www.risse-mv.de und bei Facebook. ||


Juliane Holtz


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