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Editorial

Innerhalb eines Jahrzwölfts mussten die hier Lebenden mit drei Währungen zurechtkommen: Bis zum 1.7.1990 galt die DDR-Mark, seitdem die D-Mark, ab dem 1.1.2002 wird mit dem Euro bezahlt. Was Numismatiker vielleicht beglückt, nervt viele – wie die Tatsache zeigt, dass 75% der Deutschen die Euro-Preise noch immer in D-Mark umrechnen.

Nach mehr als 1000 Jahren gibt es im deutschen Sprachraum nicht mehr Mark und Pfennig. Das hat emotionale Folgen. Kein Wunder also, dass nach der jüngsten Währungsumstellung 20 Milliarden Münzen als Andenken aufbewahrt wurden. Kölner Psychologen prophezeiten gar eine tiefe Krise der Deutschen: »Das Problem ist nicht der Euro, sondern es ist der Tod der Mark.« Verschärfend kam hinzu, dass Geld im Alltag der Ostdeutschen seit der Wende eine neue Qualität beanspruchte.

All dies veranlasste die RISSE-Redaktion zu diesem Sonderheft. Dabei war uns das Soll bewusst: Obwohl »Geld« ein Konfliktstoff ersten Grades ist und im wirklichen Alltag, in unserem Denken, Fühlen und Handeln, eine enorme Rolle spielt, schlägt ein ästhetisches Problem ins Kontor: das Klischee. Redewendungen wie »Geld macht nicht glücklich«, »Geld regiert die Welt« illustrierten gestanzte Wahrnehmung, die zu klischierter Darstellung verführt. Wie aber ist das Thema »Geld« heute zu Literatur umzumünzen?

Genau dies interessierte uns, deshalb baten wir AutorInnen unseres Landes um Beiträge zum Thema für die vorliegende Originalanthologie. Mehrere Schreibende leisteten nach ersten Versuchen bald einen künstlerischen Offenbarungseid, und die Redaktion registrierte bei ihrer Auswahl, dass auch die Literaturgeschichte Tribute forderte. So verwies ein Lyriker lieber gleich auf ein Gedicht von Rilke, in dem es über das Verhältnis der Menschen zum Geld heißt: »das Geld wächst an, hat alle ihre Kräfte / und ist wie Ostwind groß, und sie sind klein«. Und voller Respekt schreibt der sonst respektlose Bertolt Brecht: »Willst du deinem Feind die Ruhe im Grab verwehren / Schreibe auf seinen Stein: Hier ruht Geld.« – Es ließe sich endlos zitieren. Die Zitate zeigten allerdings ein weiteres Manko: Mammon mobilisiert Moralprediger. Mahnungen sind ein ebenso verbindendes wie unangenehmes Element auf dem Literatur- und Finanzsektor.

Trotz und wegen dieser Kalamitäten wünscht die Redaktion eine Gewinn bringende Lektüre und eine Genuss-Akkumulation durch die exklusiven Computergrafiken des Künstlers mit dem verbürgten Namen Albert Markert. ||


Wolfgang Gabler

 

 

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