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Editorial

Das Sonderheft Nr. 11 der Zeitschrift Risse widmet sich der Literatur zweier wichtiger Schriftstellerinnen unseres Bundeslandes: der aus Sachsen stammende Carmen Blazejewski und der Schwerinerin Sonja Voß-Scharfenberg. Beide Autorinnen erhielten ihre literarischen Prägungen unter den Bedingungen der Literaturpolitik in der DDR, und sie setzten ihre schreibkünstlerische Arbeit nach der Wende fort – so schwer das in vielen Situationen aus unterschiedlichen Gründen auch war.
Als wir das Sonderheft konzipierten, interessierte die Redaktion vor allem, wie sich die literarischen Entwicklungswege gestalten würden, da die Ausgangslage recht ähnlich war. Beide Autorinnen waren in der DDR erfolgreich, beide wurden in den 1950er-Jahren geboren, beide schrieben Texte, die sich kritisch mit der DDR-Wirklichkeit auseinandersetzten. Beide folgten einem Literaturbegriff, den man als sozial-engagiert bezeichnen kann: Die Texte kommunizierten mit dem Lesepublikum, um die gesellschaftliche Wirklichkeit freundlicher, gerechter und schöner zu machen. Würden solche Ähnlichkeiten zu parallelen Entwicklungen führen? Doch bald stellte sich heraus, dass die Ergebnisse ihrer schriftstellerischen Arbeit nach der Wende mehr und mehr konzeptionell auseinanderstrebten. An den Texten der beiden Autorinnen waren andere Themen, andere Erzählweisen und andere Wirkungsabsichten zu beobachten. Dem gehen wir in diesem Sonderheft nach. Deshalb wurde das genannte Auseinanderstreben zum Thema dieses Hefts. Um die unterschiedlichen Entwicklungswege des literarischen Schreibens verfolgen zu können, werden zunächst die Ausgangssituationen beider Schriftstellerinnen beschrieben, um danach die Differenzen aufzuzeigen. Ganz grob könnte man sagen, Sonja Voß-Scharfenberg führte das Konzept sozial-engagierter Literatur konsequent fort, während sich Carmen Blazejewski mehr und mehr der literarischen Gestaltung existenzieller Themen zuwendete. Wie das bei beiden im Einzelnen aussieht, ist im Heft nachzulesen.
Obwohl beide Autorinnen ein breites künstlerisches Spektrum bedienen, konzentrieren wir uns in diesem Sonderheft – dem Anliegen unserer Zeitschrift entsprechend – auf die belletristischen Arbeiten der beiden Schriftstellerinnen. Dennoch vermitteln die Beiträge von Anne Blaudzun und Jens Lippert wenigstens einen Eindruck von der Vielfalt der künstlerischen Arbeit der beiden Autorinnen. So sehr sich die literarischen Arbeiten konzeptionell unterscheiden mögen, so sehr verbindet sie indes, was wir RISIKOLUST nennen wollen, das Vermögen, wesentliche Fragen des gesellschaftlichen Zusammenlebens literarisch zu gestalten.

Die Redaktion


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