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10.09.2021 taz

Kultur ist nicht gerade ein Aushängeschild Mecklenburg-Vorpommerns. Wenn man sich duch das Bundesland bewegt, entsteht ein anderer Eindruck.

Aus Parchim und Rostock Jens Uthoff

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Dass Handlungsbedarf besteht, hat das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur erkannt: 2020 hat man neue „Kulturpolitische Leitlinien“ entwickelt. Eine Empfehlung: „Entwicklung einer Marke ‚Kulturland MV‘“. Um das zu erreichen, brauche es auch eine Kehrtwende in der Marketingstrategie des Landes, meint Wippler.

Wie arg der Nachholbedarf ist, zeigt sich an mancher Stelle im Haushaltsplan: Zur „Förderung der Kreativwirtschaft“ stehen von Seiten des Wirtschaftsministeriums ganze 100.000 Euro jährlich zur Verfügung. Für ein ganzes Bundesland, wohlgemerkt. Daneben gibt es natürlich noch den Etat des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur, der sich in den vergangenen Jahren leicht erhöht hat (1,74 Milliarden) und bei dem Etliches für die Kultur abfällt.

Anne Blaudzun sorgt sich vor allem um die Kulturetats nach der Krise. Die 45-Jährige, Markenzeichen Hut und Totenkopf-Ringe an beiden Händen, ist in der Rostocker Subkultur fest verankert; sie ist seit zwanzig Jahren Redakteurin des Literaturmagazins Risse. In dem Heft publizieren ausschließlich Au­to­r:in­nen und Schrift­stel­le­r:in­nen aus Mecklenburg-Vorpommern, seit 1998 gibt es das vom Land und von der Stadt Rostock geförderte Magazin. „Alle Haushalte werden jetzt sparen müssen. Dabei stand vielen Kulturprojekten doch schon vorher das Wasser bis zum Hals“, sagt Blaudzun bei einem Gespräch in einem Café in der KTV.

„Kultur ist nicht umsonst zu haben.“

Wie bei so vielen Kulturprojekten würde auch Risse ohne Selbstausbeutung nicht funktionieren. Zwei Themenhefte werden pro Jahr veröffentlicht, Autorenförderung wird dabei groß geschrieben, jedes Mal war bislang ein Debütant oder eine Debütantin dabei. „Wir achten besonders darauf, dass die Autorinnen und Autoren honoriert werden; auch, wenn es in der Höhe nur symbolische Beträge sein können. Wir wollen damit auch zeigen: Kultur ist nicht umsonst zu haben.“

Die Zeitschrift schafft ihres Erachtens auch Ausgleich für eine sonst nicht gerade blühende Literaturlandschaft: „Es gibt einfach keine gute Infrastruktur für Literatur in Mecklenburg-Vorpommern. Die Verlage im Land kann man an einer Hand abzählen. Umso erfreulicher ist es, wenn sich neue Verlage etablieren wie zum Beispiel Katapult in Greifswald.“

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Insgesamt, so hat es den Eindruck, braucht es in MV schlicht eine Kultur des (finanziellen) Ermöglichens und Möglichmachens. Trifft man all diese emsigen Menschen, hört man sie von ihren Projekten erzählen, kommt einem manchmal das in den Sinn, was die Grünen gerade im Wahlkampf vor sich herbeten: Die (Zivil-)Gesellschaft ist – auch im Osten – vielerorts weiter als die Politik. Man muss sie nur machen lassen.

 

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