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Aufregend

26.11.2013 das-ist-rostock.de

Die Nummer 31 soll der Neuanfang für die "Risse" werden. Das Heft ist größer, dünner, teurer – und es hat sich ein Thema gesucht, dass laut Verfassung nicht stattfindet: Zensur.

Der Publikation drohte das Aus. Das Kultusministerium wollte nicht länger ein Heft fördern, das über Jahre seinen kleinen Abonnentenstamm kaum vergrößerte und eine wichtige Aufgabe darin sah, die Literatur in MV zu fördern, in dem es den Autoren des Landes die Möglichkeit bot, Honorare für veröffentlichte Texte zu beziehen.

Große Sprünge konnten die Herausgeber mit der jährlichen Förderung ohnehin nicht leisten. Doch nach 30 Ausgaben in 15 Jahren – zuzüglich einiger Sonderhefte – hätten sich auch erfolgreichere Publikationen Gedanken über eine Neuorientierung oder gar einen Wandel machen müssen.

Da liegt es nun. Etwas größer und um einiges schmaler. Ein roter Stempel verkündet das hintersinnige Thema: Zensur. Die Illustrationen stammen von Julia Kausch – und sie passen zum neuen Anspruch des Heftes: maßgeschneidert und modern, mit eigener Handschrift, Witz und eben nicht nur illustrierend, sondern auch strukturierend.

Der erste Teil heißt "Literatur" und enthält Texte von Marion Skepenat, Ronald Richardt, Holger Böwing, Carlo Ihde, Ragnhild Fesenmeyer, Claudia Bauske, Dorothea Reinecke und Christian Weiß. Prosa und Lyrik. Lesenswert allesamt. Bereichernd. Gut zu bewältigen.

Der zweite Teil heißt "Kritik". Der DDR-Erfolgsautor Wolfgang Schreyer liefert einen Essay zum Thema "Zensur", der es in sich hat. Er beginnt zu seiner Zeit als Flakhelfer, zieht sich durch 40 Jahre DDR und setzt sich bis in die Gegenwart fort. Zensur war und ist immer ein großer Thema. Früher wurde die Auseinandersetzung der Ideologie wegen geführt, heute bestimmt der Markt, was gedruckt und gelesen wird. Und diejenigen, die den Markt überblicken. Man könnte glauben, dass Schreyer mit seinen 86 Jahren, seinen weit zurückliegenden Bestseller-Erfolgen und der – relativen – Ruhe nach der Wende um ihn ein Meckerer geworden ist. Aber das Gegenteil ist der Fall: Er zeigt die Relationen zwischen den einzelnen Zensur-Epochen jugendlich humorvoll und selbstironisch auf. Risse-Redaktionsmitglied Juliane Foth braucht nur zweieinhalb Seiten, um die Political-Correctness-Debatte um den "Negerkönig" schlüssig als heuchlerisch und scheinheilig zu entlarven.

Der Name desjenigen, der das Interview mit Mathias Brodkorb geführt hat, scheint jedoch der redaktionsinternen Zensur zum Opfer gefallen zu sein – vielleicht gab es nachvollziehbare Gründe dafür. Der Kultusminister beherrscht jedenfalls die Kunst, sich prägnant zum Thema "Zensur" zu äußern, ohne sich wirklich festzulegen. Seine Beispielrechnung zur Risse-Förderung in einer Anmerkung auf denselben Seiten als "Irreführend" zu bezeichnen, ist mindestens sehr unhöflich. Das bliebe es auch gegenüber jedem anderen Gesprächspartner.

Anschließend geht es um die Poetry-Slam-Szene im Land, um den 200. Geburtstag von Georg Büchner, um ein "Für und Wider" zu Reinhard Jirgls Roman "Nichts von Euch auf Erden", eine frische Lese-Empfehlung für Mo Yans Roman "Frösche", um den Gedichtband "Pyrit" von Anke Bastrop und um Christa Wolf postum herausgegebenes Buch "Ein Tag im Jahr im neuen Jahrhundert 2001-2011".

Zusammen mit der Übersicht "Verlegt im Land" sind die 31. "Risse" eine runde Sache geworden. Die Zeitschrift stellt die Szene dar und beteiligt sich an Diskussionen, die bundesweit geführt werden oder geführt werden sollten. So könnten die "Risse" jetzt über die Grenzen des Bundeslandes hinaus wirken. Ob der Neuanfang geglückt ist, wird sich nach den nächsten Ausgaben zeigen. Der Anfang mit dem 80-seitigen Heft 31 ist jedenfalls viel versprechend – und an dieser Stelle hat die neue Regel zur Getrenntschreibung durchaus ihren Sinn.

 

Frank Schlösser

 

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