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Bücher für die Heimat aus der Ferne

29.01.2003 Ostsee-Zeitung von Dietrich Pätzold

Rostock (OZ) „Manchmal, zum Beispiel wenn ich Landschaftsgedichte von Armin Richter in unserer Mecklenburg-Vorpommern-Reihe lese, dann möchte ich einfach wieder nach Hause. Wenn man hier lebt, bekommt das Wort 'Heimat' einen anderen Klang. Aber dann sind da die Arbeit, die vielen Freunde.“ Der das sagt, ein Deutscher in Norwegen, ist kein sentimentaler Träumer, sondern ein weltoffener junger Mann. Martin Ebert, geboren 1969 in Kühlungsborn, aufgewachsen in Bad Doberan, wirkt gegenwärtig als studierter Städtebauarchitekt im Team eines großen Bauprojekts im norwegischen Trondheim, wo er seit 1997 lebt.
Gleichzeitig aber hält er „nebenbei“ als Chef seines eigenen Verlages „edition m“ die Verbindung zur Heimat. Weimar, Eberts erster Studienort, sowie Rostock sind als Verlagsorte angegeben. Gegenwärtig plant der Jungunternehmer, als weiteren Verlagsort Trondheim hinzuzufügen, um künftig auch Bücher in norwegischer Sprache zu produzieren. Ein erster Titel dieser norwegischen Sparte ist für 2004 geplant: Es geht um neue Architektur in Trondheim.
„Über 1500 Kilometer Entfernung Bücher herstellen und verkaufen zu wollen, scheint mir selbst oft vermessen“, gesteht Ebert. Vieles sei durch das Internet einfacher geworden: „Die Bücher schicke ich per E-Mail an die Druckerei, die Kontakte zu Autoren gehen übers Telefon oder E-Mail.“ Kürzlich hat Ebert seine Webseite freigeschaltet: www.edition-em.de. In Rostock helfen die Eltern mit großem Einsatz beim Versand der Bücher. Und jeden Urlaub nutzt der Verleger, um Bücher aus eigener Produktion in den Pkw zu verfrachten und als Vertreter in eigener Sache Buchhandlungen abzuklappern.
Eher ein „teures Hobby“ sei dies für ihn, behauptet er bescheiden. Dass er unterm Strich mit plusminus Null abschließt, empfinde er als „schönen Zustand“. Vor allem habe er auf diese Weise eine ganze Menge gelernt und viele spannende Menschen kennengelernt. „Wenn Sie all diese Dinge in den Jahresumsatz einrechnen, dann bin ich jetzt schon schwer reich.“
Jüngstes Produkt der „edition m“ war im Dezember der kühne Auftakt einer neuen Buchreihe: Armin Richters sehr beachtenswerter Band „Die Unebene. Gedichte an der Jahrtausendwende“ eröffnete eine „Bibliothek Mecklenburg-Vorpommern“, die regelmäßig neue Gegenwartsliteratur des Bundeslandes vorstellt. Womöglich war es doppelt kühn, ausgerechnet mit schwer verkäuflicher Lyrik zu beginnen, aber dank des Weihnachtsgeschäfts lief das Buch recht gut an, bilanziert der Verleger zufrieden.
Mit dem Gedichtband und der neuen Reihe knüpft Martin Ebert direkt an seine verlegerischen Anfänge an. Damals hatte er im Alleingang die Literaturzeitschrift „Risse“ aufgelegt. Bei der Erinnerung daran schmunzelt er: „Ja, warum macht man sowas? Um einer Frau zu imponieren . . . Und dann bekommt alles eine Eigendynamik, etwas beginnt zu wachsen, und plötzlich trägst du Verantwortung.“
Im November 1989 hatte der damals Wehrdienst Leistende ein Entlassungsgesuch eingereicht, verweigerte anschließend den Waffendienst und konnte Mitte Januar die Uniform endgültig ablegen. Im folgenden Jahr stieß Ebert, inzwischen Städtebaustudent in Erfurt, auf das Gedicht „Frühlingsanfang“ von August Stramm: „Darin reißt der Frühling mit elementarer Gewalt die Erde auf, aus diesen Rissen keimt das erste Grün. Deshalb der Name 'Risse'“, sagt er heute. „Wir fühlten uns damals so.“
17 Hefte gab er zwischen 1991 und 1997 heraus. Dann übernahm den Titel der Rostocker „Verein zur Förderung neuer Literatur in Mecklenburg-Vorpommern“. Der Anspruch ist inzwischen sehr hoch und Ebert, der Redaktion aus der Ferne noch immer eng verbunden, bekennt seinen Stolz, dies mit auf den Weg gebracht zu haben.
Stolz leistet sich Ebert noch aus einem weiteren Grund: Sein kleiner Verlag steht mittlerweile auf mehreren Füßen. In der Reihe „Grundrisse“ gibt es bisher acht Titel zur Stadtbau- und Architekturgeschichte; in der Reihe „Umrisse“ erschienen Texte zur mecklenburgischen Landesgeschichte, darunter über die Gleichschaltung der Schulen in Mecklenburg 1932/34, über den Architekten Heinrich Tessenow, die Geschichte der Kröpeliner Torvorstadt in Rostock sowie über Literatur der Wendezeit. In der neuen Reihe „Geist. Geschichte. Gesellschaft“ sollen sozialwissenschaftliche Themen erörtert werden: Den Auftakt bildete im vergangenen Jahr der Band „Gesellschaft der Generationen“.
Mit dieser Systematik ist der nun international operierende Kleinstverlag wohl schon mehr als ein Hobby. Vielmehr verrät die Bauweise publizistisches Engagement und planendes Geschick. Ebert gibt sich weiterhin eher bescheiden. Teilt dann aber lakonisch mit, dass er eben seinem Programm noch einen Band über Ehm Welks „Heiden von Kummerow“ hinzugefügt habe – unter den Autoren so profunde Kenner der Materie wie der Verleger Konrad Reich.

 

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