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Editorial

Es wird abgesagt, beantragt, Crowdfunding gestartet, Distanz geregelt, einge-schränkt, freigetestet, gewartet, Homeoffice hübsch gemacht, Impfpass gesucht, Jugendgarantie erteilt, kontaktlos gefeiert, lautlos geschrien, Mund und Nase ge-schützt, neu gestartet, Öffnungskonzept diskutiert, Pandemiekurve beobachtet, Querdenkerbommel gebastelt, Risiko eingegangen, Systemrelevanz erschlossen, telefonisch Arbeitsunfähigkeit beantragt, umgedacht, vorbeigeatmet, Warnapp installiert, zu Hause geblieben und gezoomt, gezoomt, gezoomt.
Wir befinden uns in einem Umbruch. Was gewonnen wurde und was verloren gegangen ist – das wird erst hinterher sichtbar. Aus diesem Mittendrin haben wir unser Frühjahrsthema ausgerufen: BRUCH. Und die Autor:innen aus M-V folgten dem Aufruf ungebrochen.
Buchstaben auf einer Glaskuppel, Fideln hinter der Kaufhalle, sich drehende Großmütter, brüchige Jagdgesellschaften, vietnamesische Mopedfahrer, Wurzel-gemüse, ohrlose Kinder, Novembermohn, kryptische Brüche – das alles ist drin und noch vieles mehr. Ihr findet im Heft Literatur von altbekannten Autor:innen und von zwei Debütant:innen, von Alt und Jung.
An dieser Stelle möchte ich gern einen Autor aus Mecklenburg zitieren, mit dem ich eng verbunden bin: Uwe Johnson hat mal in einem Interview an die Lesenden appelliert:

Verteidigen Sie Ihre Unabhängigkeit bis zur letzten Seite des Buches. Suchen Sie nach einer versteckten Schiene, auf der Sie hingelenkt werden könnten zu einem anderen Urteil als dem Ihren. Sie haben sich das Recht erworben auf eine Geschichte. Die Lieferung einer Quint essenz oder einer Moral ist Bruch des Vertrages zwischen Ihnen und dem Verfasser des Ro-mans. Mit dem Roman ist die Geschichte versprochen. Was dazu gesagt wird, sagen Sie.

Ich hoffe, dass sich unsere Leser:innen dies zu Herzen nehmen und den Spuren folgen werden, die von unseren neun Autor:innen gelegt wurden.
Wir drucken aber nicht nur Buchstaben, sondern auch bildliches Bruchmaterial. Die Grafiken dieses Heftes veranschaulichen den Moment des möglichen Um-bruchs – den Augenblick vor einem Bruch. Allesamt entstammen sie der Hand des Multitalents Jan Grambow, der u. a. auch Risse-Autor ist. Wir lesen außerdem wieder – diesmal im Werk von W. G. Sebald. Wir jubeln und trauern – in diesem Heft über Judith Zanders neuen Roman. Wir besprechen außerdem Neuerscheinungen und sprechen darüber, was das literarische Leben in M-V beeinflusst.

Liebe Autor:innen, besonders möchte ich euch auf unsere Rubrik »Das Literarische Leben in der Krise« hinweisen und das Interview mit dem Vorstand des LiteraturRats M-V ans Herz legen. Hier ist nachzulesen, worüber die Köpfe im LiteraturRat nachdenken und was auf dem Plan steht. Euren Nöten soll Abhilfe geschaffen werden. Das kann aber nur gemeinsam gelingen, also: Teilt eure Bedürfnisse und Wünsche mit. Tretet dem LiteraturRat bei und bestimmt im literarischen Leben des Landes mit!
Und: Wenn wir diesen Bruch überstanden haben, geht es wieder nach draußen, ins Freie.

Risse-Leser:innen und -Autor:innen haben uns Themenvorschläge geschickt – die Redaktion ging in sich und hat gewählt: DRAUSSEN ist das Thema des nächsten Herbstheftes, wir suchen Texte von Autor:innen aus M-V, die sich ihm im weitesten Sinne widmen. Die letzten Monate haben Sehnsüchte geweckt und die-sem Begriff neue Assoziationen erschlossen: Abgesehen von verheißungsvollen Freiheiten und Ungebundenheiten gehören auch Verlusterfahrungen dazu – außerhalb davon werden gewiss noch ganz andere Ideen im Freien, im DRAUSSEN stecken ... Liebe Autor:innen da draußen: Einsendeschluss ist der 1. August 2021. Unveröffentlichte Texte bitte per E-Mail an redaktion (at) risse-mv.de.

Uva Piterane


Risse e.V., Arno-Holz-Straße 1, 18057 Rostock
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