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Editorial

Anfang April 2020 hatten wir, die Risse-Redaktion, einen Trip nach Marbach ins Literaturmuseum der Moderne geplant. Der Bus war geborgt, die Zimmer gebucht, die Sitzordnung festgelegt (wichtig: die Beifahrerposition wegen der Musikauswahl auf der langen Reise zum Literaturmekka am Neckar). Die Ausstellung Hölderlin, Celan und die Sprachen der Poesie war unser Ziel. Wir hatten uns schon auf die Führungen durch die Magazine des Literaturarchivs Marbach und die Ausstellung gefreut. Aus bekannten Gründen blieben wir zu Hause.
2020 – das Jahr unzähliger Jubiläen, Friedrich Hölderlins 250. Geburtstag jährt sich, Paul Celan wäre 100 Jahre alt geworden und zugleich jährt sich sein Todestag zum 50. Mal. Wir hätten diese poetischen Helden in einem literarischen Reisebericht würdigen können … Zum Glück wurde die Ausstellung bis zum 1. August 2021 verlängert – wir hoffen auf das nächste Jahr.
Wir blieben zu Hause. Sie blieben zu Hause. Alle blieben zu Hause. Und dann suchten wir auch noch Texte zum Thema BITTE BLEIBEN SIE ZU HAUSE! und muteten Ihnen und Euch damit dieses alles beherrschende »Motto« zu. Tobias Reußwig, Marion Skepenat, David Lorenz, Jürgen Landt, Martin Graupner, Peter Thiers und Anke Bastrop ließen sich zu Hause in ihren Schreibstuben von unserem Impuls anstecken und uns an ihrer Psycho-Hygiene, die literarische Praxis ja durchaus auch sein kann, teilhaben.
Ausführlich widmen wir uns in diesem Heft 45 dem literarischen Leben in der Krise: Uns geht’s ja noch gold mit Beiträgen aus dem Rostocker digitalen Tagebuch, einem Projekt von Literaturhaus Rostock und Kempowski-Archiv; wir sitzen mit Peter Wawerzinek in der Ewigen Stadt fest; wir erwägen im Gespräch mit Martina Bade die Bibliothek als »Dritten Ort«. Dietmar Guth stürzt sich in der Rubrik Wiedergelesen in einen Dialog über eine Abwesende: Zum 50. Todestag von Nelly Sachs stellt er sich der Herausforderung einer Auseinandersetzung mit der Nobelpreisträgerin von 1966.
Die Grafiken dieses besonderen Heftes besorgte mit feinem Strich Antje Fuhrmann.
Das Literaturzentrum Neubrandenburg erhält in diesem Jahr den mit 5.000 Euro dotierten Hartmut-Vogel-Preis für Literaturvermittlung, der von der Arbeitsgemeinschaft Literarischer Gesellschaften und Gedenkstätten (ALG), eines der größten Netzwerke im Literaturbetrieb, alle zwei Jahre vergeben wird. Das Literaturzentrum gehöre zu den wichtigen kulturellen Begegnungsorten der Region und setze Literaturprojekte mit bundesweiter Strahlkraft um, heißt es zur Begründung. Es beherbergt Nachlässe von Autor*innen wie Brigitte Reimann und Siegfried Pitschmann und betreut das Archiv von Hans Fallada. Wir gratulieren den Kolleg*innen in Neubrandenburg!
Unsere Glückwünsche gelten auch den Kolleg*innen, die für »gedruckte Körperhaltung« stehen: Im September 2020 erschien im 25. Jahrgang die 100. Ausgabe der Zeitschrift Stadtgespräche, ein »Magazin für Bewegung, Motivation und die nachhaltige Kultivierung der Region Rostock«, das seit 1995 quartalsweise in der Hansestadt publiziert wird.
Wir würden auch gern unseren Autor*innen zu einem Stipendium gratulieren: Soweit Sie es noch nicht beantragt haben, legen wir Ihnen das Überbrückungsstipendium aus dem MV-Schutzfonds Kultur ans Herz. Das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur Mecklenburg-Vorpommern gewährt für freischaffende, professionelle Künstler*innen in der Coronakrise ein Stipendium in Höhe von 2.000 Euro. Es dient der Sicherung des künstlerischen Arbeitens und Wirkens. Eine Antragstellung ist bis 31. Dezember 2020 möglich: Bitte nutzen Sie diese Möglichkeit! (Informationen unter: www.lfi-mv.de/foerderungen/ueberbrueckungsstipendium-mv-schutzfonds-kultur)
Der aufmerksame Risse-Lesende weiß: Alle zwei Jahre erscheint ein Sonderheft – und es ist mal wieder soweit: Noch im Dezember wird das 10. Risse-Sonderheft erscheinen. Es ist dem umfangreichen Werk des Dichters Uwe Saeger gewidmet. Der Autor wurde 1948 in Ueckermünde geboren, es ist also nicht ein runder Geburtstag, der Anlass dieses RisseHeftes wäre, sondern allein die Qualität seiner literarischen Arbeit. Warum Uwe Saeger in einem komplexen Verständnis ein Heimatdichter ist, welche motivischen Kerne seines Erzählens wir beim Ingeborg-Bachmann-Preisträger des Jahres 1987 ausmachen können und weshalb sich unsere Publikation zu Saeger auch als ein literaturhistoriografisches Analgetikum verstehen lässt – erfahren Sie Ende des Jahres im Risse-Sonderheft 10.
Gelegentlich werden wir gefragt, wie wir auf unsere halbjährlich ausgerufenen Themen für die Risse kommen: Ein kompliziertes wie komplexes Verfahren mit ausgeklügelter Methodik … – per Brainstorming, Abstimmung und Mehrheitsbeschluss. Das Thema muss gleichzeitig offen und geschlossen genug, so eng wie weit sein, muss Impulse setzen können: Es kann und soll stets sehr weiträumig und vielfältig genutzt und verstanden werden. Zumeist verfängt es, gelegentlich sind wir ein wenig enttäuscht, weil wir uns mehr Dimensionen von einem Sujet erwartet hatten. Nun wollen wir gern mal wissen, was bei einem Brainstorming unserer Leser*innen und Autor*innen auf dem Tableau landet – partizipative Demokratie ist doch in aller Munde, wir ermöglichen Teilhabe und Mitwirkung:
Schicken Sie uns Ihre und Eure Themenvorschläge für das Heft 47, das Herbstheft 2021, bis zum 1. Februar 2021 unter dem Betreff »Thema Heft 47« per E-Mail oder Schneckenpost.
Das Abstimmen übernehmen wir.
Lew Tolstoi hat mal geschrieben, dass der Mensch »wie eine Bruchrechnung« sei. Nämlich: »Sein Zähler zeigt an, was er ist, und sein Nenner, wofür er sich hält. Je größer der Nenner, desto kleiner der Bruch.« Dem wollen wir unter anderem mit unseren Aufruf nachgehen: BRUCH ist das Thema des nächsten Frühjahrsheftes und wir suchen wieder Texte von Autor*innen aus MV, die sich ihm im weitesten Sinne widmen. Ob es nun um glatte oder komplizierte, echte oder unechte Brüche geht, ob mit dem Bruch-Text eine Fährte gelegt oder ein Bruch trockengelegt werden soll, der Kreativität soll kein Abbruch getan werden und wir hoffen, dass niemand beim Nachdenken darüber Schiffbruch erleidet.
Der Einsendeschluss ist der 1. Februar 2021. Unveröffentlichte Texte bitte per E-Mail an redaktion@risse-mv.de.
Liebe Leser*innen, liebe Autor*innen,
Hals- und Beinbruch!
Passen Sie auf sich auf und bitte bleiben Sie …
– gesund!

Anne Blaudzun


Risse e.V., Arno-Holz-Straße 1, 18057 Rostock
IBAN: DE73 1305 0000 0200 0598 90 / BIC: NOLADE21ROS
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