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Editorial

Unsere Oberlippenbärte1 zuckten gekränkt, denn sie wurden in den Texteinsendungen zum Thema FLIEGE nicht erwähnt. Was soll’s, dachten wir uns, und rückten daraufhin unsere Querbinder zurecht und machten uns ans Werk: Ganz eindeutig hatte es stattdessen das Brachycera-Insekt unseren Autorinnen und Autoren angetan und ebendiese Fliege überschwirrte uns im Schwarm: Wir flogen von Text zu Text, wohlgemerkt in kritischen Zeiten. Inzwischen befinden wir uns im Homeoffice und noch ist nicht erforscht, von welchem Tier das COVID-19-Virus schlussendlich auf den Menschen übergesprungen ist. War es die Fledermaus wie bei der Spanischen Grippe (1918–1920), die Ratte oder der Floh wie bei der Pest (541 n. Chr. bis heute) oder eben die Fliege? Werden wegen ihr der Weltbevölkerung derzeit die Flügel gestutzt? Wir wissen es nicht. Fest steht jedoch, dass der Parasit Fliege sich aufgrund seiner Ernährung von verwesenden organischen Substanzen ernährt. Dabei nehmen diese Insekten pathogene Keime auf, welche sie auf den Menschen übertragen. In überlieferten Texten und Bildern wird die Fliege negativ konnotiert als Gehilfin des Teufels und dieser wiederum zum Beelzebub (hebräisch), zum »Herrn der Fliegen«. Die Fliege wird also vielerorts und in so manchem Zusammenhang erwähnt. In den Texten unserer Autorinnen und Autoren wurde von ihr erzählt als das, was sie für die meisten Menschen ist: Das schwarze, summende Insekt ohne besonderen Nutzen. Oder doch nicht?

Motten sieht Carola Weiders an Mouches Volantes Erkrankte, bei David Lorenz wird die Fliege zum unersättlichen Trinkkumpan, Regina Raderschalls Text kennt einen merkwürdigen Brummer und der Protagonist von Christian Weiß muss sich fragen, ob der eigene Verstand ihm einen Streich gespielt hat. Und Unglaubliches vermögen die Fliegen von Kurt Scharf!

In Widergelesen beschäftigen sich unsere Streithähne Euphoricus und Dysphoricus mit dem umstrittenen Roman Miroloi von Karen Köhler und unser Redakteur Christian Taszarek, Vollblut-Deutschlehrer und ehemaliger Zeitsoldat, kämpft mit sich und der Schullektüre Der Untertan von Heinrich Mann.

Leider kein Schabernack ist eine weitere Porto-Erhöhung, die uns ins Haus geflogen ist: Die Büchersendung wird abgelöst von der Warensendung. 1,90€ pro Sendung (statt 1,20€) wirken sich wieder auf unsere Abo-Preise aus. Ab 2021 müssen wir deshalb 14,50 € statt 13 € für das Jahresabonnement ohne Sonderheft (bzw. 24 € statt 22 € mit Sonderheft) in Rechnung stellen. Die vollständige Preisliste (gültig ab 2021) finden Sie am Ende dieses Heftes. Für 2020 gelten noch die alten Preise.

Es war übrigens Blaise Pascal (1623–1662), der entdeckte, »dass alles Unglück der Menschen von einem einzigen herkommt: dass sie es nämlich nicht verstehen, in Ruhe in einem Zimmer zu bleiben«. BITTE BLEIBEN SIE ZU HAUSE! Das machen Sie sicher, Sie halten sich an die Regeln einer für uns alle mindestens verrückten Zeit, das wissen wir.

Sie genießen und/oder verfluchen Quarantäne und Isolation, Entschleunigung und Resilienz, Teigwaren und Hygieneartikel. Wir schauen nach vorn: Die Redaktion sucht für das Herbstheft der Risse Texte von Autoren und Autorinnen aus Mecklenburg-Vorpommern, die sich dem Thema BITTE BLEIBEN SIE ZU HAUSE! im weitesten Sinne widmen. Wir haben beschlossen, Ihnen das alles beherrschende Thema zuzumuten, es kann ja durchaus eine Art Psycho-Hygiene sein, literarisch damit umzugehen, liebe Stubenhocker-Gemeinde. Und eines möchten wir auch nochmal deutlich herausstellen: Der Impuls, den wir mit unseren Themen halbjährlich setzen, kann und soll stets sehr weiträumig und vielfältig genutzt werden; viele Möglichkeiten, unseren Köder aufzunehmen und sich anstecken zu lassen, stehen offen. Das heißt: Die Texte für das Heft 45 müssen nicht zwingend etwas mit Pandemien und Panik, Klopapier und Nudeln, Heimarbeit und Handhygiene zu tun haben.

Einsendeschluss ist der 1. August 2020.

Liebe Leser und Leserinnen, liebe Autoren und Autorinnen, passen Sie auf sich auf und bitte bleiben Sie … – gesund!

Juliane Foth


Risse e.V., Arno-Holz-Straße 1, 18057 Rostock
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